Nachhaltige Festivals

Wer es wirklich ernst meint mit Klimaschutz, müsste sich bei vielen Dingen unseres modernen Lebens beschränken – leider auch bei solchen, die uns Spaß machen.
Adella Karayusuf Redaktion

Zum Glück wird an technischen Innovationen getüftelt, die genau dies verhindern möchten, findet unsere Kolumnistin Adella Karayusuf.

 

Ich tanze gerne. Am liebsten draußen. Betrübt hatte mich daher die Nachricht, dass auch dieses Jahr aufgrund der Corona-Pandemie einige Festivals bereits abgesagt sind.
Die Entscheidung der Organisatoren ist verständlich. Zu groß ist das wirtschaftliche Risiko für die Veranstalter und Musikindustrie. Was man aber auch bedenken muss: Aus ökologischer Perspektive ist das ein Segen für die Umwelt. Es hatte ein paar Jahre gedauert, bis mein Bewusstsein anfing, sich ernsthaft mit den Umweltauswirkungen solcher Festivals zu beschäftigen. Die ganze Musik- und Entertainmentindustrie ist unglaublich energieintensiv. Die Universität Oxford hat das vor einigen Jahren mal für Großbritannien untersucht. 540.000 Tonnen CO2 fallen dort jährlich an. So viel wie eine Stadt mit 54.000 Einwohnern oder 180.000 Autos im selben Zeitraum in die Atmosphäre pusten.


Glücklicherweise wurden in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen unternommen, um sie nachhaltiger zu gestalten. Emissionsfreie An- und Abreisemöglichkeiten, recycelte Müllberge und Pfandsysteme für Flaschen und Geschirr sind wunderbare Ansätze. Leider reicht das aber nicht. Auch wenn einige Veranstalter Solaranlagen zur Energieversorgung nutzen, bleibt das Problem hoher Emissionen für die meisten anderen bestehen, die ihren Strom mithilfe dieselbetriebener Generatoren erzeugen. Gut, man könnte sogenannten Öko-Diesel einsetzen, synthetisiert aus Wasserstoff und CO2. Damit würde man Emissionen zwar reduzieren, aber eben nicht konsequent ganz vermeiden.


Von einer anderen bereits bestehenden Möglichkeit zur Stromerzeugung erfuhr ich vor Kurzem. Die Idee ist so einfach wie genial: Wasserstoff und Sauerstoff reagieren in einer Brennstoffzelle zu Wasser und erzeugen dabei Strom. Statt also Diesel in den Generator kommt Wasserstoff in die Zelle. Was für eine Vorstellung! Kein Generatorenlärm mehr, kein Gestank, große Mengen Strom. Und alles ganz ohne Emission, wenn der benutzte Wasserstoff „grün“ ist, also mit erneuerbaren Energien hergestellt wird.


Warum also den Strom, den man auf einem Festival braucht, nicht auf diese Weise bereitstellen? Genau daran wird nämlich schon getüftelt. Zum Beispiel von der Green Music Initiative, einer deutschen Plattform, die für eine nachhaltigere Musikbranche eintritt. Everywh2ere heißt ein aktuelles Projekt, das mobile Brennstoffzellen für den Einsatz auf Musikfestivals entwickelt und bereits einsetzt. Die Initiative ist mit großer Leidenschaft dabei, will eine Plattform schaffen, auf der sich Kultur- und Kreativschaffende, Umweltforscher und Politiker aus der ganzen Welt versammeln, austauschen und die Entwicklung klimafreundlicher Ideen weiter voranbringen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die mobilen, mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen leisten einen nachhaltigen Beitrag zur Durchführung klimafreundlicher Festivals unterschiedlicher Größe.


Wie schön der Gedanke, würden mit Brennstoffzellen auch auf Veranstaltungen wie Straßenfesten, Jahrmärkten und Public Viewing, Emissionen reduziert werden. Sogar der Einsatz in anderen Bereichen, wie Baustellen, Krankenhäuser und Hotelanlagen ist denkbar. „Wir stehen in den Startlöchern, die Technik wartet darauf benutzt zu werden“, sagt Jacob Bilabel, der Gründer der Initiative.


Für mich steht fest: Tanzleidenschaft im Freien ist nun mit besserem (Ge)wissen erlaubt.

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