Gründerland Deutschland

Solide Infrastruktur, Rechtssicherheit und Förderprogramme bieten deutschen Start-ups gute Rahmenbedingungen.
Gründerland Deutschland
Illustration: Fiete Koch
Mirko Heinemann Redaktion

Die Gründung eines Unternehmens lässt sich mit dem Start einer mehrstufigen Rakete vergleichen: Der Entrepreneur startet in der Regel mit einer Finanzspritze von Eltern oder der Familie. Kann er seine Idee erfolgreich vermarkten, gibt es einen Förderkredit von einer Bank oder einem Business Angel. Wer es schafft, sein Unternehmen zum Wachsen zu bringen und wer es binnen der ersten Jahre über eine gewisse Schwelle bringt, wird für Risikokapitalgeber interessant. Es winken die ersten Millionen.   
So könnte man den perfekten Start eines jungen, innovativen Unternehmens beschreiben. Leider ist er nicht allen vergönnt. Das Risiko ist hoch: Nach Expertenschätzungen überlebt nur eines von zehn Start-ups Chancen dauerhaft am Markt. Dennoch liegt ein besonderes Interesse von Öffentlichkeit und Politik auf jungen Technologieunternehmen – nicht zuletzt deshalb, weil viele von ihnen disruptive Geschäftsmodelle verfolgen, also die alt eingesessene Wirtschaft herausfordern. Damit haben sie zumindest theoretisch die Chance, zu international bedeutsamen Unternehmen heranzureifen. Den Aufstieg von der Garagenfirma zum Weltkonzern – viele junge Gründer verfolgen diesen Traum.
Die meisten Neugründer arbeiten allerdings nicht in der IT-Branche, sondern auf dem Dienstleistungssektor; darunter fallen Rechtsanwälte und Architekten genauso wie Friseurbetriebe oder Reinigungen. Es folgen der Handel und das Baugewerbe. Im Jahr 2014 wurden laut Institut für Mittelstandsforschung IfM Bonn 309.000 Unternehmen neu gegründet, 2015 waren es etwa 300.000. Die Zahl der Unternehmensgründungen ist also zurückgegangen. Das muss keine schlechte Nachricht sein. Denn die Ursachen der sinkenden Bereitschaft zur Selbstständigkeit liegen in der guten Konjunktur. Unternehmen stellen immer mehr Bewerber ein, und im Gegenzug haben es immer weniger nötig, aus der Not heraus in die Selbstständigkeit zu gehen. So steigt der Anteil derer, die aus Leidenschaft Unternehmer sind. Vielleicht sind sie deshalb auch erfolgreicher: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Insolvenzen jedenfalls um mehr als sieben Prozent gesunken.
Laut Gründungsmonitor der staatlichen KfW-Bank haben knapp 85 Prozent aller Entrepreneure dem Markt nichts Neues anzubieten. Nur 16 Prozent  gründen sich mit einer Innovation. 8,7 Prozent haben eine neue Idee für den regionalen Markt entwickelt, 4,1 Prozent für den deutschen, bei 3,1 Prozent handelt es sich sogar um eine Weltneuheit. Davon dürften recht viele unter die Definition des „Start-up“ fallen. Darunter versteht der Deutsche Start-up Monitor, den die KPMG-Wirtschaftsberatungsgesellschaft alljährlich herausgibt, Unternehmen, die jünger sind als zehn Jahre, die über eine innovative Technologie oder ein Geschäftsmodell verfügen und die ein signifikantes Wachstum anstreben. Dazu passt: Der Softwarebereich ist laut KfW mit dem höchsten Anteil an den innovativen Gründungen vertreten, es folgen „Hightech“ und „technische Dienstleistungen“.
Wer ein Unternehmen gründen möchte, braucht Startkapital. Fast die Hälfte aller Gründungen startet mit 5.000 Euro und weniger, 21 Prozent verfügen über ein Startkapital von 10.000 bis 25.000 Euro. Mehr als 100.000 Euro benötigen nur 4,2 Prozent aller Gründungen. Eine externe Finanzierung erhalten sie vor allem von Familie, Freunden und von Banken. Der Kredit bei der Hausbank ist eine naheliegende Lösung. Entrepreneure können aber auch   verschiedene Förderinstrumente nutzen.
Etwa die „Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften“, die junge Unternehmen finanziell fördern. Diese MBGs sind privatrechtlich organisierte Gesellschaften, die keinen Einfluss auf das Geschäft ausüben und durch öffentliche Mittel refinanziert werden können. Deren Finanzierungsvolumen reicht – etwa in Berlin-Brandenburg – von 25.000 bis zu 1,25 Millionen Euro. Beteiligungsdauer: bis zu 12,5 Jahre. Auf Bundesebene agiert der High-Tech Gründerfond, der bis zu eine halbe Million Euro in die Frühphasenfinanzierung junger Unternehmen investiert – eine Mischung aus Beteiligung und Darlehen.
Laut Länderbericht Deutschland des Global Entrepreneurship Monitors (GEM) sind die Rahmenbedingungen für Gründerinnen und Gründer in Deutschland „ausgesprochen gut“. Als besondere Stärken betont die Organisation die gute Infrastruktur, die öffentlichen Förderprogramme, den Schutz von geistigem Eigentum. Auch die Wertschätzung neuer Produkte und Dienstleistungen sei in Deutschland besonders hoch. Im Gegenzug sei die schulische Gründungsausbildung verbesserungswürdig, ebenso die gesellschaftliche Wertschätzung von Selbstständigkeit. Ein Minuspunkt in Deutschland sei das ebenso das knappe Arbeitskräfteangebot für neue und wachsende Unternehmen.
Wichtigster Gründungsort für Start-ups in Deutschland ist Berlin. In der Hauptstadt werden sie in wenigen Jahren sogar zum größten Arbeitgeber avancieren, so eine aktuelle Studie des Instituts für Strategieentwicklung IFSE. In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Mitarbeiter in Berliner Start-ups beinahe verdoppelt. Heute beschäftigen die jungen Firmen in der Stadt zusammen rund 13.200 Arbeitnehmer. Damit stehen sie an fünfter Stelle, gleich hinter den Berliner Verkehrsbetrieben und noch vor Siemens.
Auf den nachfolgenden Plätzen sieht der Deutsche Start-up Monitor München, die Metropolregion Rhein-Ruhr, Hamburg und Stuttgart/Karlsruhe. Das IFSE hebt heraus, dass Berlin sozial durchlässig ist, besonders im Vergleich mit internationalen Start-up-Metropolen wie New York oder San Francisco. Dies sei ein großer Standortvorteil für die Startup-Szene, weil sich dadurch Menschen mit völlig verschiedenen Hintergründen gegenseitig inspirieren und voneinander lernen können, so die IFSE-Studie. Doch um auch in Zukunft relevant zu bleiben, müsse Berlin seine Standortvorteile nutzen, das seien vor allem Diversität, Kreativität und eine Vielzahl von Bildungseinrichtungen. Wer eine erfolgreiche Gründerlandschaft schaffen möchte, muss eine solche Balance also erhalten – oder schaffen. Das gilt nicht nur für Berlin und Deutschland, sondern ist eine europaweite Aufgabe.

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